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Buch des Monats Oktober 2020 - Denken mit Bildern – die Welt von Aby Wartburg

Aby Warburg
Aby Warburg

Als Erstgeborener hatte Aby Warburg das Recht, die Hamburger Bank seiner Eltern zu übernehmen. Doch bereits im Alter von dreizehn Jahren trat er das Recht auf Nachfolge an seinen jüngeren Bruder Max ab. Als Ausgleich sollte er einen lebenslangen Kredit bei der Bank für seine Büchereinkäufe erhalten. Max, damals 12 Jahre alt, hat Jahre später darüber berichtet: „Hiermit erklärte ich mich nach sehr kurzer Überlegung einverstanden. Ich sagte mir, daß schließlich Schiller, Goethe, Lessing, vielleicht auch noch Klopstock von mir, wenn ich im Geschäft wäre, doch immer bezahlt werden könnten, und gab ihm ahnungslos, wie ich heute zugeben muß, sehr großen Blankokredit“.

Daraus ist eine der wichtigsten kulturwissenschaftlichen​ Bibliotheken Deutschland entstanden, die legendäre Bibliothek Warburg. Außergewöhnlich war nicht nur der große ovale Lesesaal, „Arena der Wissenschaften“ genannt, auch die Anordnung der Bücher auf den Regalen war etwas ganz Besonderes: Sie folgte dem „Gesetzt der guten Nachbarschaft“. Die Zusammenstellung der Bücher aus verschiedenen Fächern sollte für einen gewissen Überraschungseffekt sorgen und dem Leser neue Titel und somit neue Denkanstöße vermitteln. Das Haus in der Hamburger Heilwig-Straße 116 wurde am 1. Mai 1926 geöffnet, kurz vor dem 60. Geburtstag des Wissenschaftlers. Die Bibliothek war sehr modern, es gab eine Fotothek und eine Reprowerksatt, und der Lesesaal war mit Projektoren ausgestattet. Über dem Eingang zur Bibliothek war in griechischen Lettern das Wort „Mnemosyne“ eingemeißelt - der Name der griechischen Göttin der Erinnerung.

Der Begriff „Mnemosyne“ steht auch für ein zweites Projekt von Aby Warburg, das noch innovativer war als die Ausstattung seiner Bibliothek. Der „Ambitionierte Atlas“ – eine Art Bildergedächtnis Europas von der Antike bis zur Gegenwart. Der Kulturwissenschaftler Aby Warburg hat darin eine Reihe von Reproduktionen zusammengestellt, die das Nachleben antiker Motive darstellen sollten. Sogar auf den Werbe- und Briefmarken der 20er Jahre entdeckte er Nymphengestalten und andere Themen und Muster, die antike Wurzeln besaßen. Mehr als 60 Tafeln mit Reproduktionen hat Aby Warburg entworfen, war aber mit diesem Projekt noch nicht fertig, als er am 26. Oktober 1929 an einem Herzinfarkt verstarb. Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten war die Bibliothek, als Vermächtnis eines jüdischen Forscher, in Hamburg nicht mehr gern gesehen. Ende 1933 wurde sie über die Nordsee nach London verschifft.

Zum ersten Mal werden nun alle 63 Tafeln des Mnemosyne-Atlas – wiederhergestellt mit Warburgs originalem Bildmaterial – dem Publikum präsentiert. Die lang erwartete Ausstellung wird zwischen dem 4. September und dem 30. November 2020 im Haus der Kulturen der Welt in Berlin gezeigt. Parallel würdigt die Berliner Gemäldegalerie den bedeutenden Kunsthistoriker mit einer Präsentation von 50 originalen Kunstwerken: "Zwischen Kosmos und Pathos. Berliner Werke aus Aby Warburgs Bilderatlas Mnemosyne". Die Ausstellung ist zwischen dem 8. August und dem 1. November 2020 zu sehen.

Als Buch des Monats Oktober präsentiert die Wissenschaftliche Bibliothek der Stadt Trier „Aby Warburg. Eine intellektuelle Biographie“ des berühmten Kulturwissenschaftlers Ernst H. Gombrich. Der Autor beschreibt u. a. die Faszination von Bildern auf Aby Warburg.

Die moderne Technik hat auch viele
von uns zu Bildersammlern gemacht. Wir denken in Bildern, vergrößern täglich die Bildersammlungen in unseren Handys und bewahren die Erinnerungen und Ideen als Bilder auf. Wir sind in den visuellen Medien digital unterwegs, wo andere eigene Sammlungen präsentieren. Wir können über einen Instagram-Account nachschauen, was in der Stadt Trier passiert ober was das Stadtmuseum gerade anbietet. Das Bildergedächtniskonzept, die neue Methode Aby Warburgs, Kultur und Weltgeschichte zu erforschen, ist im digitalen Zeitalter aktueller als je zuvor.