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Objekt des Monats Dezember 2022 - Schreiben von Oberrabbiner Altmann an Oberbürgermeister Weitz zur „Befreiungsfeier“ 1930

Brief von Oberrabbiner Altmann an Oberbürgermeister Weitz, 19.05.1930 (Stadtarchiv Trier, Tb 32 / 137)
Brief von Oberrabbiner Altmann an Oberbürgermeister Weitz, 19.05.1930 (Stadtarchiv Trier, Tb 32 / 137)

Als bekannt wurde, dass Reichspräsident Paul von Hindenburg am 23. Juli 1930 im Verlauf seiner Rheinland-Reise auch Trier besuchen sollte, herrschte in der Stadt große Vorfreude. Die Reise des Staatsoberhauptes war erst durch die ab 1925 vom damaligen Außenminister Gustav Stresemann erwirkte frühere Räumung der linksrheinisch besetzten Gebiete von alliierten Truppen möglich geworden. Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs sah der Versailler Vertrag von 1919 einen Truppenabzug ursprünglich erst für das Jahr 1935 vor. Nun feierte man wie in vielen anderen Städten der Region auch in Trier die erste große „Befreiungsfeier“ bereits am 1. Juli 1930. Sie bildete den Auftakt einer Festreihe, die vom Besuch Hindenburgs gekrönt werden sollte. Die Stadtverwaltung betrieb die entsprechenden Vorbereitungen mit großem Aufwand und nahm viel Geld in die Hand, obwohl die Stadtkasse durch die Weltwirtschaftskrise und die hohe Arbeitslosigkeit leer war. In diese fröhliche Stimmung ist auch ein aufschlussreiches Schreiben des Oberrabbiners Dr. Adolf Altmann an Oberbürgermeister Dr. Heinrich Weitz vom 19. Mai 1930 einzuordnen.

Das Dokument ist Teil einer Akte „Berichte und Unterlagen über die Befreiungsfeier“ im Stadtarchiv (Signatur Tb 32/317), welche mit zwei weiteren Akten und vielen Fotos im Bildarchiv die Kernüberlieferung zu den Großereignissen im Festjahr 1930 bilden. Eine weitere wichtige Quelle sind die damaligen Zeitungen, die in der Wissenschaftlichen Bibliothek verwahrt werden. Adolf Altmann bejaht in seinem Schreiben den erst zwei Tage zuvor vom Oberbürgermeister an ihn gerichteten Vorschlag, anlässlich der Befreiungsfeier selbstverständlich auch in der Synagoge am 28. Juni einen Festgottesdienst im Anschluss an den Sabbatgottesdienst zu veranstalten und eine Festpredigt zu halten. Der genaue Zeitpunkt werde noch in der Gottesdienstanzeige in den Lokalzeitungen bekannt gegeben. Der handschriftlich abgefasste Brief zeugt inhaltlich und stilistisch von einem offenbar vertrauens- und respektvollen Verhältnis der beiden Stadtpersönlichkeiten zueinander. „In sofortiger Beantwortung Ihres sehr geehrten Schreibens […] teile ich Ihnen ergebenst mit […]“ ist dort u.a. zu lesen. Der Charakter des Schreibens zeigt, dass es sich um keine leeren Floskeln handelt.

Adolf Altmann wurde am 8. September 1879 in Hunsdorf (Ungarn) geboren. Nach seinem Studium in Preßburg wurde er in Bern in Philosophie und Literatur promoviert. Er war als Rabbiner in Salzburg, in Meran und dann als österreichischer Feldrabbiner tätig. Im Jahr 1920 wurde er von der jüdischen Gemeinde in Trier zum Oberrabbiner berufen, dessen Amt er bis 1938 ausübte. Nach der Invasion deutscher Truppen in Holland, wo Altmann seitdem lebte, wurde er 1944 nach Auschwitz deportiert und dort ermordet.

Der Brief Altmanns belegt, dass es eine konfessionell übergreifende Beteiligung an den Feierlichkeiten zur „Befreiung“ Triers von der zunächst amerikanischen und dann französischen Besatzung gab, die auch die jüdische Gemeinde einbezog. Der Impuls hierzu ging vom Oberbürgermeister selbst aus. Jüdische Bürgerinnen und Bürger lebten in der Mitte der Stadtgesellschaft. Tatsächlich saß der Oberrabbiner beim Festbankett für den Reichspräsidenten, dessen Aufenthalt in Trier wegen eines Brückenunglücks in Koblenz während der ersten Rheinlandreise, bei dem über 40 Menschen ums Leben kamen, abgebrochen und am 11. Oktober 1930 nachgeholt worden war, nur wenige Plätze an der Stirnseite der Festtafel vom Staatsoberhaupt entfernt. Er gehörte demnach zum Kreis der seinerzeit wichtigen Personen in der Stadt. Nur etwas über zwei Jahre später setzten mit der so genannten Machtergreifung der Nationalsozialisten auch in Trier die Repressalien gegen die jüdische Bevölkerung ein.

Oberrabbiner Altmanns Schreiben sowie die Fotografie vom Festbankett sind Teile der Ausstellung „Reichspräsident Paul von Hindenburg in Trier und die so genannten Befreiungsfeiern 1930“, die bis 26. Februar 2023 im Foyer der Wissenschaftlichen Bibliothek und des Stadtarchivs an der Weberbach 25 zu sehen ist. Sie bildet den Auftakt zu einer Themenreihe des Stadtarchivs „Trier 1923 – 1933. Zwischen Demokratie und Diktatur“, die sich in Ausstellungen, Lesungen und Beiträgen mit dieser Zeitspanne beschäftigt.

Simone Fugger von dem Rech

 
Bildergalerie
  • Themenreihe des Stadtarchivs „Trier 1923-1933. Zwischen Demokratie und Diktatur“