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Buch des Monats Februar 2020 - "Töchter von Hekuba" von Clara Viebig

Clara Viebig
Clara Viebig

„Die Glocke mit der mächtigsten Stimme hängt zu Trier; da ruft sie vom Dom, eine beredte Zeugin der uralt-eingesessenen, siegreichen Kirche. Und doch ist‘s nur ein Katzensprung von da zur Porta nigra; Christentum und Heidentum treten sich in Trier fast auf die Füße. Ich habe mir just den schönsten Winkel der ganzen schönen Rheinlande zum Geborenwerden ausgesucht. In Trier, unweit der „Poort“, wie das Römertor im Volksmund heißt, stand meine Wiege; sie schaukelte im Takt mit den frommen Kirchenglocken, ich schlummerte süß bei deren Schall, und doch war ich ein Ketzerkind.“ (Clara Viebig, West und Ost, ……)

Clara Viebig war eine der erfolgreichsten deutschen Schriftstellerinnen ihrer Zeit, wie ihr Roman „Töchter der Hekuba“ aus dem Jahre 1917 deutlich zeigt: im Jahr 1920 erschien bereits die vierundvierzigste Auflage. Mehr als 40 Ausgaben in drei Jahren bestätigen einen großen Erfolg der Schriftstellerin.

Der Titel ist eine mythologische Referenz zu Hekate/Hekuba, der letzten Königin von Troja - Urbild der kriegstraumatisierten Frauen und ein starker Protest gegen den Weltkrieg. Clara Viebig engagierte sich in der pazifistischen Bewegung nicht nur durch ihre Anti-Kriegsromane. Sie gehörte neben Käthe Kollwitz und Clara Zetkin zum deutschen Initiativkomitee des Antikriegskongress in Amsterdam. Sie war u.a. mit dem Schriftsteller und radikalen Kriegsgegner Arnim T. Wegner eng befreundet und teilte mit ihm die pazifistische Weltanschauung.

Das Jahr 1933 hatte für die beiden Schriftsteller dramatische Folgen. Armin T. Wegner richtete im April einen offenen Brief an Adolf Hitler, in dem er gegen die Judenverfolgungen protestierte. Kurz nach der Veröffentlichung wurde er inhaftiert. Der Ehemann Clara Viebigs, Friedrich Theodor Cohn, wurde wegen seiner jüdischen Herkunft gezwungen, die Unternehmensanteile an die Deutsche Verlagsanstalt abzugeben. Der einzige Sohn der Eheleute, Ernst Viebig, musste als Halbjude und Mitglied der KPD Deutschland verlassen. Er emigrierte nach Brasilien, kurz danach folgte seine Ehefrau. Die Kinder Susanne und Reinhart blieben zuerst bei den Großeltern in Berlin. 1936 starb der Ehemann der Schriftstellerin, kurz danach folgten die Enkelkinder ihren Eltern in die Emigration nach Brasilien. Clara Viebig blieb allein in Deutschland zurück. Wegen des drohenden Kriegs hatte sie ihre Familie verloren. Die Nazi-Diktatur bedeutete das bittere Ende der Karriere Clara Viebigs. Als Autorin kaum noch beachtet, starb sie 1952 in Berlin.

Die in Trier geborene Schriftstellerin wurde selbst zu einer Tochter der Hekuba. Die Kritiker nannten sie „la Cassandra tedesca“, weil trotz großen Erfolgs der Romane ihre Friedensappelle genauso erfolglos waren wie die Weissagungen der mythischen Kassandra.